Wow, okay. Ich habe mich so sehr über das Feedback zur letzten Ausgabe gefreut, dass ich gleich eine neue schreibe! Es geht mir auch wieder besser. Zum Glück. Vielen lieben Dank für eure wirklich netten Genesungswünsche! Und tragt mal lieber noch eure Masken, wenn es mal eng und voll ist.
Hinweis: Ich habe technischen und Meta-Newsletter-Kram ans Ende dieser Ausgabe gepackt. Sobald es damit losgeht, können diejenigen unter euch, die sich dafür nicht interessieren, die Mail schließen. Es kommt dann nichts anderes mehr. Auch kein witziger letzter Satz oder so. Aber eine Umfrage, naja.
Doch zuerst ein Foto.
Nochmal Weinen
Das Thema „Weinen“ hat mehr Feedback ausgelöst, als ich erwartet hatte. Mehrere Mails (eine von Chuck Norris, hehe) und einige Kommentare und sogar eine Videobotschaft haben gezeigt: Besonders etwas ältere Männer, so ab 50, weinen manchmal einfach los, wenn sie ergriffen sind, und eigentlich ist das ja auch schön. Und auch in Situationen, in denen Tränen gerade etwas ungelegen kommen, gibt es offenbar keine Supertricks dagegen. Mann kann es wohl mit kurzen, schnellen Einatmern durch die Nase und folgendem längeren Ausatmen probieren, meine Tests haben aber ergeben, dass diese Methode dem Schluchzen nicht unähnlich ist, soundtechnisch wäre also wenig gewonnen. Also ist es anscheinend am besten, die Tränen einfach fließen zu lassen. Wegwischen, und dann ist es ja auch meistens schon vorbei.
Das ist auf Bühnen als Brillenträger mit nem Mikro in der Hand zwar nicht die einfachste Lösung, weil die Brille ja fürs Tränenwegwischen abgenommen werden muss, aber naja, niemand hat uns einen Rosengarten versprochen. Headset-Mikro hilft auch nur ein bisschen, man muss dann aufpassen, dass man sich nicht das Mikro gemeinsam mit den Tränen aus dem Gesicht wischt. Das mögen die Leute an der Ton-Regie nicht so sehr.
Bleiben wir also gespannt auf die nächste re:publica, wenn bei der Eröffnung zwei bis drei Menschen im Publikum denken: „Hoffentlich muss er heulen, bin gespannt, was er dann macht!“.
Ich hab mir natürlich eine eigene Strategie überlegt: Ich muss einfach eine gewisse innere Grundwut mit auf die Bühne nehmen. Auf irgendwas, da fällt mir schon was ein. Denn wenn ich wütend bin, weine ich nicht. Also „Schön, dass ihr hier seid!“ sagen, aber „Fuck the System!“ denken. Das könnte klappen. Stay tuned.
Schöne Dinge, die mir begegnet sind
Fotografie
Jacqui Kenny leidet unter Agoraphobie und anderen Angstzuständen, weshalb sie nicht reisen kann. Also begann sie, die Welt via Google Street View zu erkunden und sammelte dabei tausende Screenshots als Urlaubsfotos. Einige der besten, wirklich wunderbaren Bilder sind auf Instagram unter „The Agoraphobic Traveller“ zu sehen, sie sind außerdem unter dem Titel “Many Nights” als wirklich tolle Printsammlung mit einem Gedicht von Emily Berry erhältlich. Die Bilder sind so inspirierend, dass man sich sofort selbst auf Street View begibt und z.B. in Peru oder Japan so viele tolle Bilder findet, dass man denkt: Wieso habe ich solche Ideen nicht, wenn ich den ganzen Tag am Smartphone hänge? Die Antwort lautet: Tja.
Instagram ist ja als Ansammlung halbwegs guter Fotos oberflächlich betrachtet passé, seit zu viele Menschen dort nicht mehr ihren Blick auf die Welt, sondern nur noch den auf sich selbst präsentieren. Ich bin selten so vielen Menschen entfolgt wie in den letzten Wochen, obwohl ich die Menschen selbst gar nicht doof finde oder sogar mag, aber meine Güte, wie viele Badezimmerspiegelportraits von deinem leicht schief gelegten Kopf und Smartphone-Klammerhandhaltung soll ich noch ertragen können?
Konzentriert man (ich) aber den Blick auf andere, auch internationale Accounts, stellt man fest, dass es eben doch unendlich viele herausragende Fotografinnen und andere Künstlerinnen auf Instagram gibt, und dann macht das alles wieder etwas mehr Spaß. Hier ein paar Tipps. Von diesen Accounts aus könnt ihr einfach schauen, wem die folgen oder wer denen folgt und schwups hat man (ich) eine Timeline voller großartiger Fotos:
Adeolu Osibodu (geb. 1997 in Lagos, Nigeria, lebt in London), Skander Khlif (geb. 1983, Tunesien), Jerry Frissen (keine Bio, ich tippe auf Kalifornien), Thekla Ehling (Köln, ihre Website gibt einen besseren Einblick in ihre tollen Arbeiten, und Thekla hat auch Arbeiten zu dem Buch “10 Jahre Hambacher Forst” beigesteuert), Claudia Stranghöner (Oberhausen), Corey Arnold (Alaska, fotografiert wilde Tiere), Oscar Diaz, Emanuele Boffa (Italien), Viktor Balaguer (Franzose, der in Russland lebt), Yelena Yemchuk (Ukraine), Natela Grigalashvili (Georgien) … und so viele mehr, die jetzt gerade doch nicht in meiner Timeline auftauchen und die ich daher vergessen habe.
Außerdem natürlich „Sammelbecken“ wie das großartige British Culture Archive und Women Photographers History.
Ich möchte ja auch gerne bessere Fotos machen können, ich hatte das schonmal erwähnt, aber nach kurzen Einblicken in Masterclasses und dem Studium von Lehrbüchern fiel mir auf, was mir fehlt: Zeit. Auch hier gilt: Tja.
Design
Ein wenig Design-Nostalgie: Antonio Carusone hat einen Haufen alter Audio-Kassetten-Designs gesammelt. Das sind nette Inspirationen für die Gestalterinnen unter euch, und wenn es nur für die Farbwelten ist.
Haley Nahman, Autorin des Substack-Newsletters mit dem schönen Namen Maybe Baby (zu Substack unten mehr), hat sich Gedanken zum aktuellen Aussehen von Filmen und Serien gemacht, genauer gesagt zum Color Grading, also der Farbkorrektur. Sie nennt es den “Netflix Look”, und spätestens wenn ihr ihre Beispiele seht, wisst ihr, was sie meint. Alles sieht auf eine Art gleich aus, flach geradezu, und vor allem: Genau wie Werbung. In einem Reddit-Kommentar zum spannenden Thema vermutet jemand den Einsatz der gleichen digitalen Kameras, LEDs und bei einigen Filmen auch Green-Screen-Effekte als Ursachen, die gebündelt dann u.a. für flachere Aufnahmen, weniger Schatten, weniger Schwarztöne sorgen. Und er oder sie hat damit sicher recht.
Film
Wenn wir schon beim Film sind, aber beim sehr gut aussehenden: Tanja ist auf das zauberhaft nerdige Film-Blog RogerEbert.com gestoßen, auf dem ihr u.a. einen Videobeitrag zum ersten Wes-Anderson-Film “Bottle Rocket” findet (der deutsche Titel des Werks ist übrigens “Durchgeknallt” und ich überlege mal wieder, wohin man auswandern könnte).
Die erste, kurze Version von Bottle Rocket ist 1994 entstanden, das durchaus sehenswerte und unterhaltsame, wenn auch nicht sensationelle Remake folgte 1996. Im oben erwähnten Video gibt es ein paar Ausschnitte und Infos zu diesem Start der Karriere von Wes Anderson, der von Beginn an mit seinen Freunden, den Brüdern Owen Wilson, Luke Wilson und Andrew Wilson arbeitete (hat mir Spaß gemacht, die Nachnamen alle auszuschreiben, obwohl es nicht nötig gewesen wäre).
Es ist so nett zu sehen, wie jung die waren und wie viel Spaß sie hatten. Und wahrscheinlich immer noch haben, nur mit viel mehr Geld. Was natürlich auch nicht einfach so gekommen ist. Schaut euch einfach mal das Video an, ist sehr schön, wenn man Film und Wes Anderson und die Wilson-Bande mag.
Musik
Die Natural Language Playlist erstellt, wie der Name subtil andeutet, Spotify-Playlists nach individuellen Wünschen in “echter” Sprache.
Ihr könnt also z.B. eingeben “Cool new alternative music from the 2000s without auto tune” und dann passiert das hier. Nette Spielerei, die auf Englisch am besten funktioniert, glaube ich. Mein einziger deutschsprachiger und mäßig kreativer Versuch lieferte bei “Musik, die traurig macht” jede Menge Metal-Gedöns und als Opener den gar nicht so traurig machenden und mir bis dahin unbekannten Freddy-Quinn-Knüller “So geht das jede Nacht”:
Am Sonntag mit Jimmy, am Montag mit Jack
Am Dienstag, da gehst du mit Johnny weg
So geht das jede Nacht (So geht das jede Nacht)
“Jack” und “weg” reimen, da muss man erstmal drauf kommen.
Ebenso erwähnen sollte ich an dieser Stelle das schon ältere forgotify.com, das Songs mit den wenigsten Aufrufen listet. Und oft denkt man dann beim Anhören: Tja.
Es kommt bald ein neues Album von The Hold Steady (Yeah!), einen Song davon – Sideways Skull – kann man jetzt schon hören (hier der YouTube-Link, ihr findet das Lied aber natürlich auch beim Streamingdienst eurer Wahl).
Der Kanal “ABC Arts” der Australian Broadcasting Corporation hat einen Mix aus Doku und Livemitschnitt veröffentlicht: “KINGDOM IN THE SKY: Nick Cave & Warren Ellis Live at Hanging Rock” ist bei einem sehr speziellen Konzert entstanden und wirklich sehens- und hörenswert. Ich gebe zu, dass mich mein letztes Konzert von Nick Cave in der Berliner Waldbühne ein wenig ratlos zurückgelassen hat, mir war das dann doch zu viel Messe, zu viel Bad (Seeds, hehe) in der Menge und der eigenen Historie. Ja, ja, ich verstehe das alles, bitte nicht Nick Cave erklären, ich habe Birthday Party vor gefühlten 72 Jahren im Wedding gesehen, Schätzchen, aber das war mir dann doch alles zu dick aufgetragen in der Waldbühne. In solchen Momenten kommt meine alte Plattenverkäuferarroganz wieder durch und ich denke: “Boah, du kennst den erst seit Into My Arms und jetzt machste hier einen auf Gottesanbeterin mit deinem 100-Euro-Ticket ey”. Aber gleich danach werde ich natürlich wieder erwachsen, freue mich darüber, dass der Typ immer noch so großartiges Zeug macht und denke: Ach komm, Nick Cave darf fast alles.
In der letzten Ausgabe hatte ich ja einen kurzen Nachruf auf Terry Hall geschrieben. Wenn ihr ebenso Fans seid: Kennt ihr das Album “The Hour of Two Lights”, das er mit Mushtaq Omar Uddin aufgenommen hat (ehemals von Fun-Da-Mental)? Ein wunderbares, ungewöhnlich Werk, erster Anspieltipp: Ten Eleven. Sehr tolle Songs. Und das vielleicht schlechteste Albumcover der Welt.
Wer von euch im Gegensatz zu mir in der Musikbranche arbeitet, sollte übrigens den Newsletter von Fab Schuetze abonnieren. Low Budget High Spirit ist wirklich gut.
Meine in der letzten Ausgabe angedrohten Gedanken rund um Social Media habe ich wieder verschoben, erstens klang das alles wahnsinnig negativ und zweitens wäre diese Ausgabe dann ein halbes Buch geworden. Ich überlege nochmal.
Und sammle bis zur nächsten Ausgabe mal weiter schöne Dinge für euch!
Newsletter-Software und so
Jetzt kommt nur noch Meta-Zeugs zur Technik und Form dieses Newsletters:
Ich bin ja von Revue zu Substack gewechselt, siehe letzte Ausgabe. Eine Alternative wäre z.B. Mailchimp gewesen – da nervt mich das recht komplizierte Herumfummeln mit der Gestaltung, ich hatte aber auch Steady in Erwägung gezogen. Da wiederum finde ich die Grundeinstellung des Designs besonders in der mobilen Ansicht nicht gut, und man hat so gut wie keinen Einfluss darauf.
In Substack schreibt es sich recht gut, aber das Ganze funktioniert eher wie ein … Newsletter- oder Blog-Portal. Als Autor könnte ich euch bspw. auf meiner Substack-Seite auch andere Substack-Autor*innen empfehlen, und ihr könntet auf eurer Substack-Homepage oder in der App alle von euch abonnierten Substack-Newsletter gebündelt lesen. Und per RSS auch noch auf andere regelmäßig gelesene Quellen zugreifen. Verwirrend? Ja. Letztendlich geht es leider mal wieder darum, dass Substack gerne ein Portal sein will und nicht “nur” ein Dienstanbieter und das nervt mich etwas.
Und am Ende geht es auch immer um Monetarisierung. Substack ist für mich und euch kostenlos, und ich hatte ja schon oft gesagt, dass ich kein Geld nehmen will für diesen Newsletter, wobei es auch erstmal bleibt. Substack würde mitverdienen, sobald ich Paid Accounts anbieten würde, das ist das Geschäftsmodell. Statt ein bisschen Geld für einen guten Service zu nehmen, was mir viel lieber ist. Revue hat mich z.B. ein paar Euro gekostet, aber das habe ich gerne bezahlt, da es eben recht gut durchdacht war.
Ich erwähne das alles nur, weil ich als Autor bei Substack mehrere Möglichkeiten habe:
Ich kann das hier alles “öffnen”, Leser*innen müssen also nichts abonnieren, sondern können die Newsletter auch einfach unter spreeblick.substack.com lesen. Das ist cool, ist dann aber quasi ein Blog. Und ich wollte ja einen Newsletter machen.
Ich kann das hier wie bisher “semi-geschlossen” halten. Das bedeutet: Leser*innen müssen sich mit Mailadresse registrieren, bekommen die Ausgaben per Mail und können das Archiv dann online lesen, kommentieren, liken usw. – Nachteil: Ich muss jedes neue Abonnement manuell freigeben (keine Ahnung, warum). Vorteil: Ich habe einen Überblick, wie viele Menschen sich für meinen Kram interessieren.
Ich kann anfangen, alle oder manche Inhalte hier nur noch gegen Bezahlung anzubieten. Aber siehe oben. Zwischendurch habe ich dann trotzdem gedacht: “Ey, nimm doch einen Euro pro Monat oder zehn im Jahr, nicht, um damit viel Geld zu verdienen, sondern um eine etwas gezieltere, leicht eingeschränkte Community aufzubauen”, aber es ist bei Substack und anderen Anbietern gar nicht vorgesehen, mit solch kleinen Summen zu arbeiten. Lohnt sich nicht, Gebühren und so. Dann halt nicht. Außerdem klingt “Community aufbauen” so nach LinkedIn.
Warum mache ich mir diese ganzen Gedanken überhaupt? Weil es sich für mich völlig anders anfühlt, eine Mail an euch zu schreiben als einen Blog-Beitrag. Eine Mail ist persönlicher. Und ich weiß auch gar nicht, ob ihr und ich die öffentlichen Kommentare wollen, denn so nett sie auch bisher alle sind: Das Lesen und Beantworten nimmt auch wieder Zeit in Anspruch (allerdings könnte ich diese “Community-Funktionen”, also die Likes und Kommentare auch abschalten).
Im Moment tendiere ich aus Faulheit dazu, alles erstmal so zu lassen, wie es derzeit ist. Alle können sich anmelden, ich gebe auch jede neue Anfrage frei, und nach Registrierung können alle das Archiv sehen, kommentieren und liken. Oder ich öffne doch einfach alles. Auf Dauer könnte ich überlegen, mein altes, vernachlässigtes Blog spreeblick.com zu archivieren und nur noch hier zu schreiben (bis RWE Substack kauft). Oder ich mache alles doch wieder völlig anders. Zu viele Optionen.
Ich weiß, dass einige von euch mir empfehlen werden, alles selbst zu hosten, aber ehrlich: Ich schlage mich seit Jahrzehnten mit Wordpress auf einem eigenen Server rum und habe keinen Bock mehr. Allein im vergangenen Jahr war der Server mehrfach von Spam-Idioten infiziert und Spreeblick war tagelang down, was zwar niemand bemerkt hat, aber trotzdem. Das ist für mich schwer zu verhindern und noch schwerer hinterher wieder zu fixen, es nervt einfach. Ich will, dass sich andere um den Mist kümmern, ich hab da keine Zeit für und keine Lust drauf.
Aber was denkt ihr denn? Als langjährige Abonnent*innen?
Zeit, ein weiteres Substock-Feature zu testen! Eine Umfrage! Und ich habe keinerlei Ahnung, wie das in einer Mail funktionieren soll. Vermutlich gar nicht, haha.
Danke fürs Mitmachen!
Bleibt gesund, aber positiv – Johnny
Ich habe "Mir ist mittlerweile alles egal" angeklickt - wollte aber klarstellen das das als "Ich folge dir für die tollen Inhalte - egal auf welche Plattform" gemeint ist!
Ach Johnny, ich mag so sehr, wie Du schreibst. Weiß jetzt wieder, was ich vermisst habe. Musste lachen über „hoffentlich muss er weinen“, und überhaupt über vieles und sowieso FUCK THE SYSTEM. Danke. Mach weiter, bitte. PS: Umfrage via Mail funktioniert einwandfrei.